Tagjagd/ Nachtjagd – Tagjäger/ Nachtjäger
Wir Menschen sind von Natur aus „Tag-Seher“ und folglich von Natur aus auch „Tag-Jäger“. Und wenn unser Jägersein, wie es stets mit Inbrunst und immer wieder betont wird, ein „Zurück zur Natur“ oder ein „Eins Werden mit der Natur“ sein soll, dann ist der ganze nachtjagd-technische Schnickschnack und die technisch hochaufgerüstete Jägerei der Jetztzeit gewiss eher Hindernis als Hilfsmittel. Kennen Sie ein technisches Hilfsmittel der modernen Jägerei, dass uns der Natur wirklich näherbringt?
Hegeauftrag und Nachtjagd
Unser primärer Hegeauftrag heißt heute: Lebensräume erhalten und schaffen! Und das kann nicht nur heißen „Lebens-Raum“, sondern auch „Lebenszeit“ – die Nacht gehört dem Wild!
Und dies sollte uns, von wenigen, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen auch zukünftig jagdliche und hegerische Richtschnur sein!
Beutefixierung total
Die einseitige Fixierung auf die Beute, die uns Jägern heutzutage von vielen Seiten vorgeworfen wird – findet in der Jagd mit der Nachtzieltechnik ihren wahrlich vorläufigen Höhepunkt. Ich bin umgeben von schwarzdunkler Nacht und nur mit Hilfe der Technik blicke ich durch das Dunkel und bin in der Lage der Beute habhaft zu werden.
Das nächtliche Jagen ist nicht mehr eingebettet in eine ganzheitliche Betrachtung von Landschaft und jagerischer Welt. Im Dunkeln bin ich nahezu abgeschnitten von der „Betrachtung eines großen Ganzen“.
Beim Jagen betrachten wir zunächst einmal ganz wach „die ganze Welt“ (Landschaft…). Sobald die begehrte Beute dann ausgemacht ist, beginnen Fixierung und Konzentration, der Gesamtblick auf die Landschaft tritt im Prozess der Beutefixierung erst dann in den Hintergrund.
Unser erster Blick auf die jagerische Welt ist praktisch technikfrei – „…unsere Augen schweifen als Weitwinkelobjektiv stetig umher…“ und erst dann kommt gelegentlich das Fernglas zur Hilfe und erst wenn wir die Beute dann entdeckt und aufgespürt haben kommen Fernglas, Zielfernrohr, Waffe hinzu…
Beim nächtlichen Jagen läuft gar nichts ohne Technik: Von Anfang an sind wir nahezu blind ohne den Blick durch die Geräte. Das jagerische Erleben ist nur mehr minimaler, dunkelster Ausschnitt. Und in der Propagierung jenes Jagens klammert der Jäger den restlichen Komplex, einen großen Teil des so herrlichen Drumherum fast zur Gänze aus. Der nächtliche Jäger nimmt nur noch die Beute wahr – der Rest ist ein schwarzes, dunkles Nichts.
Auch nächtliches Jagen hat ohne Zweifel seinen Reiz…
Damit will ich keinesfalls behaupten, dass dieses tiefdunkle Jagen nicht auch seinen Reiz haben kann. Und man nimmt ja mit der Technik auch so manches andere wahr außer nur schwarze Schweine: Hier ein Dachs, dort ein Fuchs, nächtliche Rehe, nächtliches Rotwild, den einsamen Hasen…
Und natürlich ist es faszinierend in jene bislang nahezu verborgene Welt mit Hilfe der Technik einzudringen – keinesfalls möchte ich dies abstreiten.
Schwarz-Weiß Malerei, Schwarz-Weiß Jagdlandschaft, Schwarz-Weiß Jagerei
Vielleicht ist aber auch in den vielen Maissteppen (der Schweinereviere unserer Zeit!) oder auch den Kiefern oder Fichtensteppen der Unterschied zwischen Tag- und Nachtjagen gar nicht einmal mehr sooo groß: ob ich nun am Tage in einem fünfzig ha großen reinen Maisschlag ansitze oder in der tiefen Nacht: Je eintöniger die gesamte Jagd-Landschaft desto geringer fallen gewiss auch die Tag-/Nacht Jagd-Unterschiede aus.
Vielleicht ist das auch einer der Gründe, weshalb vielen das rein nächtliche Kunstjagen gar nicht mehr so schwer fällt – der Unterschied zwischen Tag-Erleben und Nacht-Erleben ist vielleicht gar nicht mehr allzu groß.
Für einen Benedikt von Cramer Klett, der in Bergwald-Wiesenlandschaften gejagt hat, die nur so vor andersartigem Leben strotzten – wäre dies wohl „ein Unterschied gewesen wie zwischen Tag und Nacht“…und auch für einen Friedrich von Gagern…“Jagd ist Schauen, Jagd ist Sinnen, Jagd ist Dankbarsein…“ – beim Jagen mit der Nachtsichttechnik ist gewiss nach erfolgreichem Beutegriff wohl noch „Dankbarsein“ – aber „Schauen“, oder „Sinnen“…?
Der Jäger – der Knecht der Technik
Letztlich werde ich durch diese reine Nachtjagd doch zum nahezu vollständigen „Knecht jener Technik“: ohne jene Technik ist die tiefdunkle Nacht ein schlichtes jagdliches Nichts – und das war sie ja auch, außer zu den Mondjagdzeiten, über etliche tausende von Jahren, ja in der ganzen jagdlichen Evolutionsgeschichte des Menschen. Klar, wir treten nun mit dem neuen modernen digitalen Zeitalter wohl in eine neue evolutive Ära des Menschseins ein. Bei der Jagd habe ich häufig aber eher das Gefühl, dass der technische Fortschritt zumeist eher ein jagdlicher Rückschritt ist.
Früher musstest Du als fähiger Jäger Wechsel und Wege des Wildes kennen, dich hineinfühlen in Revier, Jahreszeit, Witterung, Stunde und Stimmung – heute streut man Maiskörner umher, liest Wildkameras aus, kauft sich die rasanteste Fernbüchse und clickt bei Bedarf dann ein bisschen am Zielfernrohr herum – so kommt man auch „auf große Entfernung“ wieder „ganz nah zurück an den Busen der Natur“???.
Und wir verlieren ein Wort: „Im letzten Licht“
Jenes von uns so oft genutzte Wort: „Im letzten Licht kam er/ stand er da/ zog er fort… – auch es verschwindet. Bald gibt es im Zeitalter des machbaren nächtlichen Jagens dieses schöne geradezu jagdromantische Wort kaum mehr: „Im letzten Licht“!
Der Jäger – der wache Mensch!
Ortega y Gasset hat einmal den schlichten Satz geprägt: „Der Jäger – der wache Mensch“. Mit wach sein meinte er gewiss „mit allen Sinnen die Umgebung und die Welt prüfen und bereit sein selbst den kleinsten Hinweis auf Wild zielführend zu nutzen“.
Den „wachen Menschen“ kann man aber natürlich auch im Sinne der „Neuen Nutzung der modernen Technik“ interpretieren: Bereit sein innovative hochtechnische Werkzeuge in der neuen Situation einer rigorosen Wildbekämpfung zielführend einzusetzen – das kann „wach sein“ vielleicht auch heißen.
Burkhard Stöcker