Her mit der Jagddrohne!
Schluss mit der verdammten Weidgerechtigkeit?
Seit der Änderung des Waffengesetzes liefern sich die Bundesländer einen Wettkampf um die vordersten Plätze bei der Zulassung von Nachtzieltechnik. Anscheinend möchte sich kein Agrarminister sagen lassen, angesichts der sich nähernden ASP untätig zu bleiben. Die Gefahr steht vor der Tür. Nachrüstung ist angesagt. Doch die ASP ist bekanntlich nicht alles. Im Hintergrund trompeten die Bayerischen Grünen deshalb lauthals und fordern die Erweiterung der schönen neuen Nachtzielwelt auf Reh- und Rotwild, dem Wald zuliebe.
Nachtzieltechnik…kaum da und schon veraltet. Schließlich muss man auch mit der neuesten Optik noch persönlich ins Revier und das in den Zeiten von Corona. Da ist es doch viel besser, wenn wir nach einer „tierschutzgerechten“ und „effektiven“ Jagdart suchen.
Schweden zeigt uns, wie modernes „Wildtiermanagement“ wirklich funktioniert:
Anfang des Jahres berichtete die Zeitschrift „Svensk Jakt“, dass der staatliche Forstkonzern „Sveaskog“ einen Antrag bei der kommunalen Jagdaufsichtsbehörde eingereicht habe, in einem abgelegenen Eckchen des Landes 32 Elche mit Hilfe von Helikoptern, Drohnen und Jägern auf Schneescootern abschießen zu dürfen.
Gut, die Sache scheint sich vorerst im Sande verlaufen zu haben, doch seien wir ehrlich, die Diskussion ist nur verschoben. Schon Dürrenmatts „Physiker“ lehren uns, dass wir unser Wissen nicht zurücknehmen können. Das Mögliche ist anscheinend nicht nur möglich. Wenn es erst gedacht wurde, dann ist es auch Realität im Wartestand.
Einige verträumte Ewiggestrige werden vielleicht noch etwas von Weidgerechtigkeit murmeln, doch welcher Wert kommt diesem Wortungetüm in unserer Zeit noch zu?
Was kann man heute überhaupt noch als weidgerecht bezeichnen?
Der Inhalt ist nirgendwo definiert. Weidgerechtigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, ähnlich wie „Treu und Glauben“ oder „das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“. Solche Begriffe müssen bei der Bewertung rechtlich relevanten Handelns stets neu gedacht und in das Verhältnis zum allgemeinen Rechtsgefühl gesetzt werden.
Es ist logisch, daß sich das Verständnis von dem, was das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden angeht, im Laufe der Generationen ändert. Das kann mitunter sehr schnell gehen. So entschied der Bundesgerichtshof 1987 im bekannten „Dirnenlohnfall“, dass eine Prostituierte keinen Anspruch auf Entgelt habe, denn das entsprechende Rechtsgeschäft verstoße gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Solche Geschäfte waren damals sittenwidrig und deshalb nichtig. Heute, zu einer Zeit, in der Prostituierte „Ich AG‘s“ sind, gehört diese Rechtsprechung der Vergangenheit an und zeigt, daß sich die allgemeine Auffassung vom Inhalt der Sittenwidrigkeit gewandelt hat.
Man könnte auch Eckhart von Hirschhausen zitieren: „Früher war es anstößig, sich Pornos anzuschauen. Heute ist es akzeptiert. In ein paar Jahren wird man als veraltet gelten, wenn man keine eigenen ins Netz stellt.“
Mit der Weidgerechtigkeit ist es nicht viel anders
Man denke an den Fang von Wacholderdrosseln (Krammetsvögeln) im Dohnenstrich, d.h. mit Schlingen und Leimruten. Bis zum Jahr 1907 handelt es sich um eine gängige Jagdpraxis. Man erinnere sich an den Raubwildfang mit Tellereisen. Er wurde erst 1935 verboten. Was eben noch gebräuchlich war, das gilt heute als unmöglich. Doch der Zug fährt auch in die umgekehrte Richtung.
Heute sind Jagdformen zulässig und gelten als „schick“, an die sich noch vor einigen Jahrzehnten kein Jäger herangewagt hätte. Erinnern wir nur die Diskussion um das Zielfernrohr und die sog. „Kilometerbüchsen“, damals noch im Kaliber 8x57 IS und damit wahrlich kein Rasanzwunder. Ende des 19. Jahrhunderts wurde trefflich darüber gestritten, ob man mit solchen technischen Verbesserungen noch auf die Jagd gehen dürfte, da dem Wild keine Chance mehr gelassen würde. Der berühmte „Wilde Jäger“ Walther Fournier würde sich im Grabe umdrehen, wenn er von „Weitschuss-Seminaren“ bis 1000 m hörte. Für ihn war ein weidgerechter Jäger jemand, „der seine Kugel nicht über mehr als 150 m versendet“. Heute ist das gängige Praxis.
Die Jägerschaft gestaltet ihre Richtschnur der Weidgerechtigkeit in ganz erheblichem Maße selbst. Sie muss sich deshalb ihrer Verantwortung bewusst sein und innerhalb ihrer eigenen Grenzen ethische Standards schaffen, um diesen Begriff auszugestalten. Wenn wir dieses Feld nicht offensiv beackern und uns über die Grenzen des Machbaren austauschen, über den Selbstverzicht, dann können wir den Begriff der Weidgerechtigkeit auch aus unseren Gesetzen streichen. Wollen wir wirklich so leben?
Begeben wir uns deshalb endlich auf die Suche nach unseren Grenzen.