Wie gehts dem Wild in unserem Land?
Im Verlaufe der vergangenen Wochen und Monate wurde vor allem im Zusammenhang mit dem „witterungsbedingten, neuartigen Waldsterben“ viel über die Einregulierung von Schalenwildbeständen gesprochen.
Während die Forst- und Waldseite zumeist von überbordend untragbaren Wildbeständen spricht sehen manche Jäger- und Wildfreunde schon das Ende unserer freilebenden Huftierbestände gekommen.
Schauen wir uns daher einmal die schnöde Realität der Zahlen aus den vergangenen Jahrzehnten genauer an – sie sprechen eine recht deutliche Sprache.
Rotwild
Im Jagdjahr 2018/2019 wurde in Mecklenburg-Vorpommern mit exakten 8.200 Stück Rotwild die höchste Strecke seit der Wiedervereinigung erzielt. Selbst im „wilden Jagdjahr“ 90 /91 lag die Strecke mit fast 7.600 Stück deutlich darunter. In den neunziger Jahren gingen die Strecken zum Teil bis auf unter 4.500 Stück zurück. Ab der Jahrtausendwende stiegen die Strecken dann auf zumeist über 6.000 Stück an, erreichten im Jagdjahr 2012/13 fast 8.000 Stück und fielen danach in keinem Jahr mehr unter die 7000er Marke.
Steigende Jagdstrecken sind zumeist wenn sich nicht in den Jagdpraktiken und/oder dem Jagdsystem grundlegendes ändert schlichte Weiser für steigende Wildbestände. Wir haben daher gewiss derzeit in Mecklenburg-Vorpommern den höchsten Rotwildbestand seit der Wiedervereinigung, ja vielleicht sogar den höchsten Rotwildbestand der vergangenen hundert Jahre.
Der bundesweite Trend beim Rotwild ist übrigens nahezu identisch: im Jagdjahr 2018/2019 wurden zum ersten Mal insgesamt über 80.000 Stück Rotwild erlegt. Wir haben vermutlich aktuell auch in Deutschland so viel Rotwild wie kaum jemals in der Geschichte.
Damwild
Prinzipiell eine vergleichbare Entwicklung wie beim Rotwild – „nur mit Punkten auf der Decke“.
Auch hier wurde im Jagdjahr nach der Wende 90/91 „fleißig gejagt“ und zum ersten Mal über 8.000 Stück Wild erlegt. Bis zur Jahrtausendwende lag die Strecke dann fast immer unter 7.000 Stück. Im Milleniumsjagdjahr 2000/01 wurden zum ersten Mal über 9.000 Stück erlegt.
Seit zehn Jahren ist die Strecke beim Damwild nicht mehr unter die 10000er Marke gefallen, lag viermal über 11.000 und dreimal über 12.000 Tieren. Auch hier wurde im vergangenen Jagdjahr 2018/19 zum ersten Mal die Marke von 13.000 erlegten Stücken Damwild übertroffen.
Auch beim Damwild können wir in Mecklenburg-Vorpommern von einem historisch hohen Bestand ausgehen.
Auch der bundesweite Trend beim Damwild ist hier vergleichbar: schossen wir im Jagdjahr 1989/90 noch knapp über 30.000 Stück Damwild waren es im Rekordjahr 2012/13 fast 69.000 – seitdem ist die Jagdstrecke in keinem Jahr mehr unter die 60.000er Marke gefallen.
Schwarzwild
Die Streckenschwankungen bei der Schwarzwildbejagung sind aus mehreren Gründen deutlich gravierender als bei anderen Schalenwildarten. Mecklenburg-Vorpommern gehörte schon immer (anders als bspw. viele andere westliche Bundesländer) zu den schwarzwildreichen Regionen. Schon im Jagdjahr 1990/91 wurden hier fast 47.000 Sauen erlegt. Erst knappe zehn Jahre später wurde jedoch die 47000er Marke geknackt. In den ersten zehn Jahren nach der Jahrtausendwende wurden dann fast stets weit über 50.000 Sauen erlegt. Im Jagdjahr 2008/09 gab es einen gravierende Sprung nach oben mit dem vorläufigen Rekord von über 75.000 erlegten Sauen.
In den vergangenen zehn Jahren wurden dreimal über 60.000 Sauen erlegt, im letzten Jagdjahr wieder über 70.000 und im bisherigen Rekordjahr 2017/18 waren es über 85.000. Obwohl zwischen den Jahren gravierende Streckenschwankungen liegen ist der positive Trend aber mehr als eindeutig!
Der bundesweite Trend ist jedoch noch deutlich schwindelerregender, da das Wildschwein im Verlaufe der vergangenen Jahrzehnte erst zahlreiche Regionen des Landes wieder völlig neu besiedelt hat: waren es im Jagdjahr 1989/90 noch keine 230.000 erlegten Sauen schossen wir im bisherigen Rekordjahr 2017/2018 fast 837.000 Stück Schwarzwild. Die Strecken steigen seit Jahrzehnten an und auf Rekordjahre folgt häufig wieder ein Streckeneinbruch, dem dann direkt darauf oder bald danach wieder ein neues Rekordjahr folgt. Diese Entwicklung ist garantiert noch nicht zu Ende und wir werden im Verlaufe der kommenden Jahre gewiss eine Millionenstrecke beim Schwarzwild erzielen!
Die Entwicklung der Schwarzwildstrecken zeigt vor allem eines: wir nutzen die Wildschweinbestände in einem immer höheren Maße!
Von einer wie auch immer gearteten Regulierung oder gar Absenkung der Bestände sind wir bislang meilenweit entfernt – die Zahlen sprechen hier eine eindeutige Sprache! Wir müssen uns dessen auch vor dem Hintergrund der ASP stets bewusst sein: wir regulieren nicht, wir steuern nicht – wir nutzen lediglich!
Rehwild
Bei unserem kleinen Hirsch tut sich in Mecklenburg-Vorpommern „nicht so schrecklich viel Spannendes“:
Seit knapp vierzig Jahren liegen die Streckenergebnisse beim Reh meistens zwischen 40.000 und 60.000 – in den letzten zwanzig Jahren zumeist zwischen 50.000 und 60.000. Mecklenburg-Vorpommern ist eines der ganz wenigen Bundesländer in denen im Durchschnitt der letzten zehn Jahre die Rehwildstrecke inzwischen unter der Strecke des Schwarzwildes liegt.
Bezogen auf die bundesweiten Jagdstrecken werden in Mecklenburg-Vorpommern recht wenig Rehe pro Fläche erlegt – obwohl dieses Bundesland in weiten Teilen ein wunderbar idealer Rehwildlebensraum ist.
Es geht Ihnen allen blendend
Unseren vier bedeutenden Schalenwildarten geht es in Mecklenburg-Vorpommern glänzender denn je. Wir haben bei allen Schalenwildarten bezüglich der Nutzung noch viel „Luft nach oben“ und dürften ruhig (zum Wohle von Wald, Landeskultur und Küche) deutlich beherzter in die Wildbestände eingreifen. Mehr jagdliche Freude und mehr Nutzungspotential würden weder dem Wildbestand noch uns ernsthaft schaden…
Burkhard Stöcker