Der Wolf oder: Der beschwerliche Weg von der „Heiligen Kuh“ zum „normalen Wildtier“
Wölfe sind unglaublich schöne Tier. Meine erste Wolfsbegegnung in Mitteleuropa tendierte stark zum Kitsch: Ich zog gerade ein erlegtes Schmalreh von der Wiese, da steht er 100m hinter mir im nebeligen Dämmerlicht am Waldrand und schaut mir neugierig hinterher. Als ich seinen Blicken offenbar entschwunden bin, ihn aber durch den Waldrand wohl noch sehen kann, trabt er in den lichten Nebel der Wiese hinaus und fängt an zu jagen…Wühlmäuse…erfolgreich! Nach einer Viertelstunde verschwindet er lautlos wieder im Wald.
Der Naturschutz hat ihn jahrzehntelang herbeigewünscht, herbeigesehnt. Und als dann das erste Wolfspaar in Sachsen „kleine Wölfchen zur Welt brachte“ orakelte der damalige sächsische Umweltminister, dass „dies ja wohl kein Zufall sei, den schließlich sei Sachsens Natur halt noch in Ordnung“. Dass die Wölfe zur Erst-Ansiedlung damals eine der ödesten, arten ärmsten „Kiefern-Plantagen-Regionen“ der Republik wählten (Teile der Lausitz) fand dabei keine Erwähnung.
DIE „Tier-Ikone“ des Naturschutzes
Die aktuell größte Tier-Ikone des deutschen Naturschutzes muss ständig als „Symbol für Wildnis“ herhalten. Dabei ist der Wolf nicht einmal als ein „Indikator für naturnahe Landschaft“ tauglich. Er ist ein fleischlicher Allesfresser, der praktisch in jeder Landschaft leben kann: Steppe, Agrarsteppe, Wald, Holzplantage, Gebirge, Stadt.
Der Wolf als „Verfechter“ der Massentierhaltung
Wäre unsere Landschaft dergestalt wie sich viele Tierfreunde, Tierschützer, Naturfreunde, Öko-Landwirte (ja nahezu das gesamte Wahlvolk) das so vorstellen: Überall glücklich im Freiland gehaltene Schweine, Rinder, Ziegen, Schafe und weiteres Kleingetier, hätte der Wolf sich niemals bis auf die heutige Präsenz entwickelt. Viel früher hätten ihn jene zahlreichen Freiland-Halter (jener bis dato glücklichen, unbehelligten Beutetiere) in die Schranken gewiesen bzw. Kraft ihrer gewichtigen politischen Stimme dafür gesorgt, dass er entsprechend „gemanagt“ worden wäre.
Aber da Wölfe keinen Mais fressen, kaum Biogasanlagen anknabbern, sich nicht an Windräder ketten oder vollauf-kasernierte Hausschweine, Rinder oder Hühner in ihren vollklimatisierten Ställen behelligen – zuckt die industrielle Landwirtschaft der Neuzeit beim Thema Wolf nur gelangweilt mit den Schultern. Und die paar „Freiland-Öko-Tierhaltungs-Freaks“ mit ihren paar Rindern, Schweinen, Schafen, Ziegen (zuweilen auch gefährdeten alten Nutztierrassen), diejenigen also, die mit Tieren Haltungsformen praktizieren, die ihnen zur Ehre gereichen (den Tieren, wie den Haltern) – sind die gekniffenen jener „flächigen wölfischen Freilandhaltungsform“.
Der wolfssichere Zaun
Wenn man sich anschauen will wie bspw. ein wirklich wolfsicherer Zaun aussieht – gehen Sie in einen Wildpark und schauen sich die drei Meter hohen elektroverstärkten Gebilde an, die die Wölfe dort an ihrem sehnsüchtigen Freiheitsdrang nachhaltig hindern.
Wenn wir so im Freiland zu haltende Haustiere schützen wollen, können wir sie auch gleich genauso gut „agrarindustriell-vollkasernieren“ wie das konventionell gehaltene „Haustier-Vieh-Heer“.
Ich möchte nicht in einer Landschaft leben, aus der die Haustiere weitgehend verbannt sind und in der der Wolf „vollumfänglich gehätschelt“ wird – sondern in einer Landschaft in der Haustiere präsent sind und dem Wolf klargemacht wird, dass er jene Haustiere zu meiden hat. Letztlich zum „Akzeptanz-Wohl“ der Art Wolf, zum Wohl der Haustiere und (nicht zuletzt) auch zu meinem Wohl.
„Liebe“ schützt nicht vor „Management“
Ich liebe Hirsche, Rehe und Wildschweine und mich faszinieren Wölfe. Das sind alles Wildtiere über deren grundsätzliches Lebensrecht wir nicht diskutieren müssen! Aber Hirsche und Rehe fressen an den Wäldern herum, Wildschweine am Mais und anderen leckeren Früchten des Feldes und Wölfe nun einmal an schmackhaften wehrlosen Haustieren. Und weil dies so ist, kommen wir nicht umhin in unserer genutzten Kulturlandschaft die großen Tiere ein bisschen zu managen – dies erfordert ganz schlicht und einfach die sogenannte „Landeskultur“. Sprich: Die Präsenz des in der Landschaft wirtschaftenden, arbeitenden, ebenfalls „von den Früchten der Natur“ lebenden Menschen!
Der Wolf ist keine gefährdete Tierart!
Der Wolf ist weder weltweit noch eine bei uns gefährdete Tierart – im Gegenteil: Es geht ihm blendend! Und es wird jetzt endlich Zeit, dass wir ihn so behandeln, dass sein Dasein mit den „Erfordernissen der Landeskultur“ in Einklang gebracht wird – so wie bei allen anderen großen, ungefährdeten Wildtieren auch!
Burkhard Stöcker