Die kleine Geschichte vom sensiblen Jägersmann – leider nicht frei erfunden!
Da hört man von Jägersleuten zuweilen Geschichten – da klappen sich einem nicht nur vor Schreck die Schutzklappen des Zielfernrohrs hoch. So geschehen vor vielen Jahren in den lauschigen Wäldern des Sauerlandes: Da spaziert eine fröhliche Kinderschar mit naturverbundenen Betreuerinnen auf einem öffentlichen Waldweg in einem öffentlichen Wald und sammelt entlang des Weges begeistert Moos für ein paar Bastelarbeiten: „Basteln mit Naturmaterialien“ – ist uns Jägern ja nur allzu lieb und vertraut: Hochsitzbasteln im Revier, Trophäenbasteln in der Jagdstube, Wildbretbasteln in der Wildkammer usw.
Dann kommt ein Jägersmann mit SUV des Weges (jener mit dem grünen Abitur und der sensiblen Natur und Nase für alles was da draußen kreucht und fleucht…). Gewiss wird der Jägersmann diese Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, den Kindern nun auf einfühlsame Weise etwas von der Natur und vielleicht gar sogar von der Natur der Jagd nahe zu bringen. Und in der Tat: Er lässt diese Gelegenheit nicht ungenutzt… – und weist die Betreuerinnen und die Kinder an, die mit Moos inzwischen gefüllten Tüten an Ort und Stelle wieder auszuleeren, und den Wald (diesen nun durch Kinder, Betreuerinnen und entwendetes Moos geplagten!) möglichst zügig zu verlassen…
Oder doch: Spontan erkannte „Rote Liste Moose“???
Erstaunlich wie der Inhaber des „Grünen Abiturs“ durch die scheinbar blickdichten Tüten am schwach hindurchschimmernden Oliv Ton des Mooses erkannt hat, dass es sich wohl um eine hochgefährdete Moos Art der landesspezifischen Roten Liste handelte...???
Oder weshalb sonst sollte der Jägersmann die Entleerung der Tüten von den völlig verstörten kleinen Kindern und den im besten Fall verdutzten Betreuerinnen verlangt haben?
Vielleicht waren aber die Kinder und die Betreuerinnen aber nun auch voller Hochachtung und Bewunderung für jenen Weidmann, der nicht nur als Heger des Wildes und Umsorger des Waldes auftrat, nein – sondern auch als Fürsprecher und Anwalt der am Wegesrand so unscheinbar und bescheiden lebenden Moose?
Betreuerinnen und Kindern schweren Herzens ihre mühselig gesammelte Beute zu entreißen… – nur um den stumm leidenden Moosen ein stiller Fürsprecher zu sein. Hier zeigt er sich: der Samariter der Humusdecke, der Rächer des Waldbodens, der Heger der moosigen Wildnis, der wahre Naturliebhaber: den ihm innewohnenden naturpädagogischen Auftrag der weidgerechten Weiterbildung zukünftiger Generationen erfolgreich niederringend – nur um dem höheren Wert wehrloser Moose Geltung zu verschaffen...
Die „pädagogische Empathie“ des Weidmanns
Es ist immer wieder schwer zu fassen wie Jägersleute sich im Revier aufführen, als würde ihnen die ganze Welt gehören. Dass das beim Motocross Fahrer, der unsensibel durchs Revier brettert, schwer fällt, ist durchaus verständlich. Aber bei Kindern die ein wenig Moos sammeln? Natürlich fährt man nicht primär ins Revier, um der Naturpädagogik zu frönen: man will seine Ruhe haben und einen lauschigen (möglichst auch beutereichen!) Abend verbringen – keine Frage.
Aber wenn sich dann eine solche Gelegenheit bietet mit gutwilligen naturverbundenen Menschen (Kinder plus Betreuerinnen!) ins Gespräch zu kommen, sollten wir diese Gelegenheit doch beim Schopfe packen und in der Lage sein recht spontan von Jagdabend auf Naturpädagogik umzustellen!
Wir können weiterhin teure Marketingkampagnen für die Jagd finanzieren und den „Lernort Natur“ in vielen Formen fleißig unterstützen.
Aber jeder Jäger sollte sich darüber im Klaren sein, dass er mehr als alles andere da draußen in der Landschaft steter Botschafter sein kann – bei jedem einzelnen Reviergang!
Jägern wie dem „kleinen Jägersmann“ mit einem „derartigen Gespür“ für Öffentlichkeitsarbeit und „empathischer Sensibilität“ für Kinder (…und Moose) verdanken wir jedoch leider auch unsere derzeitige Stellung als wahre Naturexperten mitten in der Gesellschaft!
Der Lodenrambo, der mit schneidigen SUVs, grobklotzigen Hochsitzen, zirkushaftem Kanonengehabe und nicht zuletzt spontaner Moostütenentleerung die freie Landschaft belebt – ist das öffentlichkeitswirksamste Fettnäpfchen unserer Jägerinnung – Horrido und Weidmannsheil!
Burkhard Stöcker