„Kultvögel im Aufwind – vielen Großvögeln geht’s prima!“
Die Hiobsbotschaften aus Natur und Umwelt sind wir gewohnt: Es geht bergab, immerzu und allerorten und die Medien feiern da anständig mit: „Bad news are good news“!
Da wird’s Zeit nicht nur das Gegenteil einfach zu behaupten sondern einmal richtig feine Entwicklungen gebührend zu erwähnen. Und da gibt es zu etlichen großen gefiederten Freunden Feines zu berichten.
Seeadler – Bestandesexplosion!
„Es ist zu befürchten, dass der Seeadler unter dem zweifachen Druck von Horstplünderern und Freizeittouristen in Verbreitung und Bestand abnehmen wird“ – so las man es (in tragischer Öko-Botschaftsmanier) im Brutvogelatlas von Deutschland aus dem Jahr 1993.
Nichts da, der Brutbestand des Seeadlers stieg von 140 Brutpaaren (Bp) im Jahr 1985 auf sagenhafte ca. 850 (!) Bp im Jahr 2015 an – eine Versechsfachung des Bestandes in dreißig Jahren! Neben dem Bestandesanstieg in den etablierten Brutgebieten in Nord- und Nordostdeutschland kam es auch zu einer Ausweitung des Verbreitungsgebietes nach Westen und Südwesten – so hat inzwischen selbst Bayern seine Seeadlerbrutpaare! Und zahlreiche Lebensräume im Westen warten noch darauf von der Art erkundet und besiedelt zu werden. Die heftig diskutierte Bleikontamination des ein oder anderen Seeadlers spielte offenbar für die Entwicklung der Population keine Rolle.
Fischadler – frische Fische fischt der Fischadler!
Auch unser reiner „Frisch-Fisch-Fresser“ (der Seeadler erbeutet auch Wasservögel, Kleinsäuger und nutzt häufig Aas) hat sich im Verlaufe der letzten Jahrzehnte ähnlich gemausert wie sein großer Bruder. Auch hier lag der Brutbestand Mitte der achtziger Jahre bei ca. 150 Bp und stieg bis 2015 auf immerhin auch 700–750 Bp an.
Den beiden großen „Wasseradlern“ geht es aktuell wohl so gut wie selten in den letzten hundert Jahren!
Steinadler – früher auch im norddeutschen Tiefland!
Nachdem die direkte Verfolgung des Steinadlers eingestellt wurde konnte sich zumindest in den bayerischen Alpen wieder eine stabile Population etablieren. Sie umfasst inzwischen wieder 40–50 Bp und ist Teil der stabilen flächendeckenden Alpenpopulation.
In Mecklenburg-Vorpommern brütete der Steinadler noch im 19 Jhd. u.a. auf Rügen, in der Lewitz, der Rostocker Heide, der Seenplatte und in der Ueckermünder Heide. In Mecklenburg fand die letzte Brut Anfang der sechziger Jahre, in Vorpommern Ende der sechziger Jahre des 19. Jhd. statt. Die in Nordostdeutschland in den letzten hundert Jahren immer mal wieder durchziehenden und rastenden Vögel stammen aus den skandinavischen oder den osteuropäischen Brutgebieten.
Uhu – „Adler“ unter den Eulen
Die größte europäische Eule war viele Jahre ein großes (in der Tat!) Sorgenkind des Naturschutzes. Um das Jahr 1930 gab es in Deutschland (überwiegend wegen der intensiven Bekämpfung als „Raubzeug“) nur noch ca. 50 Bp. Durch Jagd- und Aushorstungsverbot und durch zahlreiche z. T. aufwendige und langwierige Auswilderungsprojekte hat sich inzwischen bundesweit wieder ein Bestand von ca. 3000 Bp etabliert. Ausgehend von einem sehr erfolgreichen Wiederansiedlungsprojekt in Schleswig-Holstein ist auch in West-Mecklenburg zukünftig vermehrt mit Neu-Ansiedlungen zu rechnen.
Die Störche
Der Weißstorch – er schien schon fast verloren…
Der im Verlaufe des zwanzigsten Jahrhunderts großflächige Negativtrend bei Meister Adebar führte bis Mitte der achtziger Jahre zu einem Bestand von nur noch knapp über 3000 Bp. Der Rückgang des Weißtorches war in den westlichen Bundesländern viele Jahrzehnten „Gesetz“ und ein Sinnbilder für den Rückgang von „Natur“. Das Aussterben schien dort eine Frage der Zeit zu sein.
Dabei darf jedoch keinesfalls verkannt werden, dass der süße, liebe Storch ein machtvoller „Prädator“ ist: Wenn Störche im Sommer bspw. durch vogelreiche Feuchtwiesen stolzieren, sind Kiebitz, Brachvogel, Uferschnepfen und Rotschenkel in heller Aufregung. Nicht nur Mäuse und Frösche, sondern auch Jungvögel und kleine Säuger wie Junghasen stehen auf dem Speiseplan des Rotschnabels.
Inzwischen hat sich jedoch der Bestand des „Kinderbringers“ auch dank großflächiger Wiedervernässungsmaßnahmen, milder Winter und kontrovers diskutierter künstlicher Zufütterung wieder bis auf über 6000 Paare stabilisiert.
Der Schwarzstorch – kümmern lohnt sich!
Als 1978 das bahnbrechende Buch „Rettet die Vögel“ erschien brüteten in den alten Bundesländern Schwarzstörche nurmehr in Bayern und in Niedersachsen – in Niedersachsen waren es nicht einmal mehr zwanzig Paare. Der scheue Waldgeselle, der ganz anders als sein weißgewandeter Bruder den heimlichen Sumpfwald dem geschäftigen Offenland vorzieht, stand kurz vor dem Aussterben: Mitte der achtziger Jahre schätzte man den Bestand in Gesamtdeutschland auf keine 300 Brutpaare. Dank eines großen Engagements beim Horstschutz und bei der Neuanlage und Wiedervernässung von waldnahen Feuchtgebieten hat der „Waldstorch“ bis heute wieder auf über 800 Bp zugelegt. Man sieht ihn zwar wahrlich immer selten – aber er ist vielerorts sehr heimlich zugegen.
Kranich – dem „Vogel des Glücks“ glückt der Aufstieg
Vor der Wiedervereinigung wurden die wenigen Kranichpaare Westdeutschlands wie Kronjuwelen bewacht. In den neuen Bundesländern fanden sich schon Ende der achtziger Jahre große Populationen, vor allem in den gewässerreichen Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Der gesamtdeutsche Bestand wurde damals auf weit über 3000 Bp geschätzt. Auch das ist längst Geschichte: Seit Jahrzehnten steigen die Zahlen an und aktuell werden 10000 Bp geschätzt. Populationsprognosen der Ornithologen lassen jedoch schlimmstes befürchten: in hundert Jahren soll es in Deutschland kein einziges Kranichbrutpaar mehr geben – schauen wir einmal was die Zukunft da so bringen wird.
Gänse, Gänse, Gänse…
Ein bisschen schwindelig wird einem bei der Entwicklung der Wildgansbruten in Deutschland.
Graugans – die einzig urheimische Wildgans
1995 wurde der bundesweite Bestand auf um die 7000 Bp geschätzt. Dank massvoller Jagd und zahlreicher Auswilderungs- und Wiedereinbürgerungsaktionen sind es im Jahr 2015 ca. 50000(!) – eine Versiebenfachung in zwanzig Jahren!
Kanadagans – ursprünglich eine reine „Parkzierde“
Erst seit 1980 brüten überhaupt regelmäßig Kanadagänse in Deutschland – inzwischen sind es vermutlich 12–13000 Bp. Ihre Vorkommen gehen auf Aussetzungen und Gefangenschaftsflüchtlinge zurück.
Nilgans – Neubürger aus Afrika
Seit der ersten Brut 1981 am Niederrhein breitet die Nilgans sich ähnlich rasant aus wie die Kanadagans: Ihr Bestand wird heute auf um die 10000 Bp geschätzt.
Brandgans – von der Küste ins Binnenland
Der Bestand hat sich von ca. 4000 Bp in 1995 bis zum Jahr 2015 auf ca. 7000 Brutpaare „nicht einmal verdoppelt“. Ursächlich ist der Bestandeszuwachs im Wattenmeer und der damit zusammenhängende „Binnentrend“ der Brandgans: Als ursprünglich reiner Küstenbewohner kommt sie inzwischen entlang von Elbe, Weser und Ems weit bis ins Binnenland vor und brütet inzwischen auch im tiefsten Bayern: Im Ismaninger Teichgebiet.
Weißwangengans – arktisches Element in Norddeutschland
Mit 15 Brutpaaren in 1995 bis zu fast 800 Brutpaaren im Jahr 2015.
Die Art breitete sich erst in den achtziger Jahren von der Barentsee über das Baltikum nach Südwesten aus und hat sich in dem Zuge auch in Deutschland als Brutvogel etabliert. Ihre Brutvorkommen beschränken sich aber auf wenige Feuchtgebiete, überwiegend in Norddeutschland.
Wiedehopf und Bienenfresser – bunte Gesellen im Klimawandel
Vor allem diesen beiden farbigen Exoten scheint der Klimawandel mächtig unter die Schwingen zu greifen. Bis vor wenigen Jahren waren sie fast nur in klimatisch begünstigten wärmeren Lagen Deutschlands zu Hause. Das hat sich gründlich geändert. Die Bestände stiegen beim Wiedehopf von ca. 400 Bp Mitte der achtziger bis zu einem heutigen Bestand von ca. 900 Bp an. Beim Bienenfresser ist die Entwicklung noch ungleich rasanter: Schätzte man Anfang der achtziger Jahre ganze 10 (!) Bp gehen wir heute von über 2500 Bp aus – Tendenz immer noch steigend.
Gerade letzterer ist wahrlich das bunteste was die heimische Vogelwelt zu bieten hat und er bringt gewiss einen Hauch „tropischer Fülle“ in so manchen Landstrich.
Haldbandsittich und Alexandersittich – „Rhein-Papageien“
Beide Arten kommen seit etlichen Jahren in Deutschland als Brutvögel vor: der Halsbandsittlich mit erster Brut in Köln im Jahr 1969, der Alexandersittich in Wiesbaden im Jahr 1987. Beide Arten kamen als Gehegeflüchtlinge oder wurden von Liebhabern ausgesetzt
Der Halsbandsittich brütet inzwischen entlang des Rheins in etlichen Regionen mit insgesamt vermutlich über 2000 Bp.
Das Vorkommen des Alexandersittichs beschränkt sich mit ca. 170 Bp ausschließlich auf Wiesbaden und den Köln-Bonner Raum.
Beide Arten siedeln im klimatisch milden Rheintal – und es ist absolut beeindruckend die lautstarken Formationsflüge zahlreicher Sittiche im Verkehrstrubel einer Großstadt zu erleben.
Es geht also wahrlich nicht nur bergab mit unserer heimischen Natur! Freuen wir uns also an den vielen großen Vögeln in unserem Land und an jener schönen positiven Entwicklung – „…und wenn sie nicht (aus)gestorben sind – so leben sie noch heute“…
Burkhard Stöcker