Aktuelles
04.08.2020

„Kultvögel im Aufwind – vielen Großvögeln geht’s prima!“

Die Hiobs­bot­schaften aus Natur und Umwelt sind wir gewohnt: Es geht bergab, immerzu und aller­orten und die Medien feiern da anständig mit: „Bad news are good news“!

Da wird’s Zeit nicht nur das Gegenteil einfach zu behaupten sondern einmal richtig feine Entwick­lungen gebührend zu erwähnen. Und da gibt es zu etlichen großen gefie­derten Freunden Feines zu berichten.

Seeadler – Bestandesexplosion!

„Es ist zu befürchten, dass der Seeadler unter dem zweifachen Druck von Horst­plün­derern und Freizeit­tou­risten in Verbreitung und Bestand abnehmen wird“ – so las man es (in tragi­scher Öko-Botschafts­manier) im Brutvo­gel­atlas von Deutschland aus dem Jahr 1993.

Nichts da, der Brutbe­stand des Seeadlers stieg von 140 Brutpaaren (Bp) im Jahr 1985 auf sagen­hafte ca. 850 (!) Bp im Jahr 2015 an – eine Versechs­fa­chung des Bestandes in dreißig Jahren! Neben dem Bestan­des­an­stieg in den etablierten Brutge­bieten in Nord- und Nordost­deutschland kam es auch zu einer Ausweitung des Verbrei­tungs­ge­bietes nach Westen und Südwesten – so hat inzwi­schen selbst Bayern seine Seead­ler­brut­paare! Und zahlreiche Lebens­räume im Westen warten noch darauf von der Art erkundet und besiedelt zu werden. Die heftig disku­tierte Bleikon­ta­mi­nation des ein oder anderen Seeadlers spielte offenbar für die Entwicklung der Population keine Rolle.

Fisch­adler – frische Fische fischt der Fischadler!

Auch unser reiner „Frisch-Fisch-Fresser“ (der Seeadler erbeutet auch Wasser­vögel, Klein­säuger und nutzt häufig Aas) hat sich im Verlaufe der letzten Jahrzehnte ähnlich gemausert wie sein großer Bruder. Auch hier lag der Brutbe­stand Mitte der achtziger Jahre bei ca. 150 Bp und stieg bis 2015 auf immerhin auch 700–750 Bp an.

Den beiden großen „Wasser­adlern“ geht es aktuell wohl so gut wie selten in den letzten hundert Jahren!

Stein­adler – früher auch im norddeut­schen Tiefland!

Nachdem die direkte Verfolgung des Stein­adlers einge­stellt wurde konnte sich zumindest in den bayeri­schen Alpen wieder eine stabile Population etablieren. Sie umfasst inzwi­schen wieder 40–50 Bp und ist Teil der stabilen flächen­de­ckenden Alpenpopulation.

In Mecklenburg-Vorpommern brütete der Stein­adler noch im 19 Jhd. u.a. auf Rügen, in der Lewitz, der Rostocker Heide, der Seenplatte und in der Uecker­münder Heide. In Mecklenburg fand die letzte Brut Anfang der sechziger Jahre, in Vorpommern Ende der sechziger Jahre des 19. Jhd. statt. Die in Nordost­deutschland in den letzten hundert Jahren immer mal wieder durch­zie­henden und rastenden Vögel stammen aus den skandi­na­vi­schen oder den osteu­ro­päi­schen Brutgebieten. 

Uhu – „Adler“ unter den Eulen

Die größte europäische Eule war viele Jahre ein großes (in der Tat!) Sorgenkind des Natur­schutzes. Um das Jahr 1930 gab es in Deutschland (überwiegend wegen der inten­siven Bekämpfung als „Raubzeug“) nur noch ca. 50 Bp. Durch Jagd- und Aushor­s­tungs­verbot und durch zahlreiche z. T. aufwendige und langwierige Auswil­de­rungs­pro­jekte hat sich inzwi­schen bundesweit wieder ein Bestand von ca. 3000 Bp etabliert. Ausgehend von einem sehr erfolg­reichen Wieder­an­sied­lungs­projekt in Schleswig-Holstein ist auch in West-Mecklenburg zukünftig vermehrt mit Neu-Ansied­lungen zu rechnen.

Die Störche

Der Weißstorch – er schien schon fast verloren…

Der im Verlaufe des zwanzigsten Jahrhun­derts großflä­chige Negativ­trend bei Meister Adebar führte bis Mitte der achtziger Jahre zu einem Bestand von nur noch knapp über 3000 Bp. Der Rückgang des Weißtorches war in den westlichen Bundes­ländern viele Jahrzehnten „Gesetz“ und ein  Sinnbilder für den Rückgang von „Natur“. Das Aussterben schien dort eine Frage der Zeit zu sein.

Dabei darf jedoch keines­falls verkannt werden, dass der süße, liebe Storch ein macht­voller „Prädator“ ist: Wenn Störche im Sommer bspw. durch vogel­reiche Feucht­wiesen stolzieren, sind Kiebitz, Brach­vogel, Uferschnepfen und Rotschenkel in heller Aufregung. Nicht nur Mäuse und Frösche, sondern auch Jungvögel und kleine Säuger wie Junghasen stehen auf dem Speiseplan des Rotschnabels.

Inzwi­schen hat sich jedoch der Bestand des „Kinder­bringers“ auch dank großflä­chiger Wieder­vernäs­sungs­maß­nahmen, milder Winter und kontrovers disku­tierter künst­licher Zufüt­terung wieder bis auf über 6000 Paare stabilisiert. 

Schwarz­storch

Der Schwarz­storch – kümmern lohnt sich!

Als 1978 das bahnbre­chende Buch „Rettet die Vögel“ erschien brüteten in den alten Bundes­ländern Schwarz­störche nurmehr in Bayern und in Nieder­sachsen – in Nieder­sachsen waren es nicht einmal mehr zwanzig Paare. Der scheue Waldge­selle, der ganz anders als sein weißge­wan­deter Bruder den heimlichen Sumpfwald dem geschäf­tigen Offenland vorzieht, stand kurz vor dem Aussterben: Mitte der achtziger Jahre schätzte man den Bestand in Gesamt­deutschland auf keine 300 Brutpaare. Dank eines großen Engage­ments beim Horst­schutz und bei der Neuanlage und Wieder­vernässung von waldnahen Feucht­ge­bieten hat der „Waldstorch“ bis heute wieder auf über 800 Bp zugelegt. Man sieht ihn zwar wahrlich immer selten – aber er ist vielerorts sehr heimlich zugegen.

Kranich – dem „Vogel des Glücks“ glückt der Aufstieg

Vor der Wieder­ver­ei­nigung wurden die wenigen Kranich­paare Westdeutsch­lands wie Kronju­welen bewacht. In den neuen Bundes­ländern fanden sich schon Ende der achtziger Jahre große Popula­tionen, vor allem in den gewäs­ser­reichen Bundes­ländern Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Der gesamt­deutsche Bestand wurde damals auf weit über 3000 Bp geschätzt.  Auch das ist längst Geschichte: Seit Jahrzehnten steigen die Zahlen an und aktuell werden 10000 Bp geschätzt. Popula­ti­ons­pro­gnosen der Ornitho­logen lassen jedoch schlimmstes befürchten: in hundert Jahren soll es in Deutschland kein einziges Kranich­brutpaar mehr geben – schauen wir einmal was die Zukunft da so bringen wird.

Gänse, Gänse, Gänse…

Ein bisschen schwin­delig wird einem bei der Entwicklung der Wildgans­bruten in Deutschland.

Graugans – die einzig urhei­mische Wildgans

1995 wurde der bundes­weite Bestand auf um die 7000 Bp geschätzt. Dank massvoller Jagd und zahlreicher Auswil­de­rungs- und Wieder­ein­bür­ge­rungs­ak­tionen sind es im Jahr 2015 ca. 50000(!) – eine Versie­ben­fa­chung in zwanzig Jahren!

Kanadagans – ursprünglich eine reine „Parkzierde“

Erst seit 1980 brüten überhaupt regel­mäßig Kanada­gänse in Deutschland – inzwi­schen sind es vermutlich 12–13000 Bp. Ihre Vorkommen gehen auf Ausset­zungen und Gefan­gen­schafts­flücht­linge zurück.

Nilgans – Neubürger aus Afrika

Seit der ersten Brut 1981 am Nieder­rhein breitet die Nilgans sich ähnlich rasant aus wie die Kanadagans: Ihr Bestand wird heute auf um die 10000 Bp geschätzt.

Brandgans – von der Küste ins Binnenland

Der Bestand hat sich von ca. 4000 Bp in 1995 bis zum Jahr 2015 auf ca. 7000 Brutpaare „nicht einmal verdoppelt“. Ursächlich ist der Bestan­des­zu­wachs im Wattenmeer und der damit zusam­men­hän­gende  „Binnen­trend“ der Brandgans: Als ursprünglich reiner Küsten­be­wohner kommt sie inzwi­schen entlang von Elbe, Weser und Ems weit bis ins Binnenland vor und brütet inzwi­schen auch im tiefsten Bayern: Im Ismaninger Teichgebiet.

Weißwan­gengans – arkti­sches Element in Norddeutschland

Mit 15 Brutpaaren in 1995 bis zu fast 800 Brutpaaren im Jahr 2015.

Die Art breitete sich erst in den achtziger Jahren von der Barentsee über das Baltikum nach Südwesten aus und hat sich in dem Zuge auch in Deutschland als Brutvogel etabliert. Ihre Brutvor­kommen beschränken sich aber auf wenige Feucht­ge­biete, überwiegend in Norddeutschland.

Halsband­sittich am Nest

Wiedehopf und Bienen­fresser – bunte Gesellen im Klimawandel

Vor allem diesen beiden farbigen Exoten scheint der Klima­wandel mächtig unter die Schwingen zu greifen. Bis vor wenigen Jahren waren sie fast nur in klima­tisch begüns­tigten wärmeren Lagen Deutsch­lands zu Hause. Das hat sich gründlich geändert. Die Bestände stiegen beim Wiedehopf von ca. 400 Bp Mitte der achtziger bis zu einem heutigen Bestand von ca. 900 Bp an. Beim Bienen­fresser ist die Entwicklung noch ungleich rasanter: Schätzte man Anfang der achtziger Jahre ganze 10 (!) Bp gehen wir heute von über 2500 Bp aus – Tendenz immer noch steigend.

Gerade letzterer ist wahrlich das bunteste was die heimische Vogelwelt zu bieten hat und er bringt gewiss einen Hauch „tropi­scher Fülle“ in so manchen Landstrich.

Haldband­sittich und Alexan­der­sittich – „Rhein-Papageien“

Beide Arten kommen seit etlichen Jahren in Deutschland als Brutvögel vor: der Halsband­sittlich mit erster Brut in Köln im Jahr 1969, der Alexan­der­sittich in Wiesbaden im Jahr 1987. Beide Arten kamen als Gehege­flücht­linge oder wurden von Liebhabern ausgesetzt

Der Halsband­sittich brütet inzwi­schen entlang des Rheins in etlichen Regionen mit insgesamt vermutlich über 2000 Bp.

Das Vorkommen des Alexan­der­sit­tichs beschränkt sich mit ca. 170 Bp ausschließlich auf Wiesbaden und den Köln-Bonner Raum.

Beide Arten siedeln im klima­tisch milden Rheintal – und es ist absolut beein­dru­ckend die lautstarken Forma­ti­ons­flüge zahlreicher Sittiche im Verkehr­strubel einer Großstadt zu erleben.

Es geht also wahrlich nicht nur bergab mit unserer heimi­schen Natur! Freuen wir uns also an den vielen großen Vögeln in unserem Land und an jener schönen positiven Entwicklung – „…und wenn sie nicht (aus)gestorben sind – so leben sie noch heute“…

Burkhard Stöcker

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