Über die Afrikanische Schweinpest … und darüber hinaus …
Nun ist sie auch bei uns in Deutschland angekommen – die Afrikanische Schweinepest (ASP). Seit Jahren zieht sie über Osteuropa, manchmal langsam, manchmal sprunghaft, westwärts. Dass sie kommen würde, ist seit Jahren klar. Und wie über die ASP diskutiert wird und welcher hektische Aktionismus sich ausbreitet – war auch zu erwarten …
Worüber wir uns aber ausschweigen …
Keine Sau kümmert es jedoch in der aktuellen Situation – dass die Wildschweine da draußen an dieser aggressiven Seuche „elendigst verrecken“. Die Drohnenbilder von Wildschweinkesseln in den Auenwäldern der Oder, in denen die Sauen, eng aneinandergekuschelt, nichts weiter tun als auf den Tod zu warten – werden achselzuckend zur Kenntnis genommen.
Das gesellschaftlich tragische Phänomen sind nicht der qualvolle Tod großer Bestände intelligenter wildlebender Säuger – das Schlimme ist die potentielle Gefährdung der Hausschweinbestände und die vor allem mit den Handelsbeschränkungen verbundenen wirtschaftlichen Verluste. Völlig verständlich aus Sicht der Schweinehalter und der Landwirtschaft.
Und jetzt wird im Grunde auch einmal wieder deutlich, weshalb man von den ganzen Hauschweinen…“keine Sau mehr zu Gesicht bekommt“. Weil man allein aus veterinärhygienischen Gründen einen derartigen Aufwand betreiben müßte um Hausschweine überhaupt im Freiland halten zu dürfen … – das man dann auch gleich zur „vollklimatisierten Großkasernierung“ übergehen kann. Oder haben Sie sich schon mal gefragt weshalb man überhaupt keine Hauschweine mehr „so einfach auf der Weide rumgrunzen und ‑bummeln sieht“ – genau aus dem Grund.
Vor wenigen Jahren war das landauf landab überall noch ganz anders. Inzwischen sind die gut 27 Millionen (!) Hausschweine, die kontinuierlich „unter uns leben“ aber allesamt „aus dem Auge, aus dem Sinn“. In lebendem Zustand bekommt sie meist nur noch das Betreuungspersonal aus Landwirten und Veterinärmedizinern zu Gesicht. Was mir und uns allen fehlt, wenn einem da draußen in der Landschaft überhaupt keine Haustiere mehr in der Alltäglichkeit begegnen steht auch auf einem besonderen Blatt …
Die Nicht-Inwertsetzung der wilden Schweine …
Die Gefährdung und der Zusammenbruch der Wildschweinbestände sind also überhaupt nicht das Thema – wieso eigentlich nicht? Gewiss auch deshalb nicht weil es uns seit Jahrzehnten nicht gelungen ist Wild in all seinen Facetten als wirklich relevanten ökonomischen Wert in der Gesellschaft zu verankern.
Wildtiere sind hübsch und niedlich und irgendwie natürlich schon auch ökologisch wichtig, irgendwie… – vor allem für uns Jäger als begehrenswerte Beute – aber ökonomisch wirklich wertvoll und geschätzt?
Wildschweinfleisch wird seit Jahren eher verschenkt als veredelt – weder an der Imbissbude noch im Sternerestaurant steht es oben an! Wildschweinleder wird kaum überhaupt verarbeitet – oder haben sie schon einmal die volltrendige „Wildschwein-Schwarten-Weste“ im Klamotten-Discounter gesehen? Und die Ökosystemdienstleistungen die Wildschweine erbringen: Bodenlockerung, Keimbeetgestaltung, Biotopmanagement, Samentransport und Co. – hat noch niemand wirklich monetär beziffert. Dabei wäre es extrem spannend diesen Wert einmal den stets gebeetsmühlenartig wiederholten landwirtschaftlichen Schäden der Wildschweine sachlich gegenüber zu stellen.
Des Weidmanns Traum: Wildschweinfleisch als kulinarisches Trendprodukt!
Wenn wir bloss die Hälfte der Zeit in der wir an maisstarrenden Kirrungen hockten dafür aufgebracht hätten uns Gedanken darüber zu machen wie wir mit den Schweinchen nach Schuss, Aufbrechen und Wildkammer sinnig verfahren wollen … – um dieses „Bio²-Fleisch“ sinnig an Frau, Mann und Co. zu bringen?
Dann wären wir jetzt vielleicht schon ein paar Schrittchen weiter – und würden über die ASP mit ganz anderen Vorzeichen diskuttieren: Die Preise für Schwarzwildfleisch würden aktuell explodieren, da die riesige bundesweite kulinarische Fangemeinde sich aus Angst vor der Afrikanischen Schweinpest für Jahre bevorraten täte … Tiefkühltruhenhersteller hätten ruckzuck Lieferengpässe da ja jeder Wildschweinfleischfan noch eine Zusatztruhe bräuchte … ganze Gourmetkollektive würden Trauerbotschaften im Netz verbreiten und jammernd jene zukünftigen Zeiten ohne das wohlschmeckende „Gourmetvergnügen-Wildschweinfleisch“ beschwören …
Wir Weidmänner – und Wildfleischverächter
Wir Jäger haben die „Naturnutzung Jagd“ über zig Jahrzehnte z.T. zum „sakralen Weidwerk hochstilisiert und über Hörnerklang und Trophäenhuldigung leider zuweilen wesentliches aus den Augen verloren: Dass Jagd eine biologisch-ökologisch-dynamische Naturnutzung ist, die unter den drei wesentlichen Kriterien der Nachhaltigkeit (ökologisch, ökonomisch, sozial) allerhöchsten Standards genügen kann.
Als beispielhaft für unsere „Wildfleischverachtung“ empfinde ich seit Jahrzehnten unser kulinarisches Gebaren beim alljährlichen Schüsseltreiben nach den Drückjagden: Da treiben wir nicht etwa das Fleisch unseres erlegten „edlen“ Wildes „durch die Schüsseln“, sondern in den meisten Fällen irgendwelche Fleischrationen aus der konventionellen Landwirtschaft. Oder wie viele Schüsseltreiben haben sie schon erlebt auf denen dann auch lokal erweidwerktes Wildfleisch kredenzt wurde? Und was man selbst kaum wertschätzt – kann man natürlich auch kaum überzeugend an den Kunden bringen …
Wir sollten also, wo immer möglich mit gutem Beispiel vorangehen und versuchen Wildschweinfleisch in Wert zu setzen. Es wäre doch gelacht, wenn uns das im Zeitalter von Bioladen- und Biofoodtrend zukünftig nicht ein bisschen besser gelingen sollte.
Burkhard Stöcker