Wege im Revier – weniger ist immer mehr
Wo liegen die heimlichsten Winkel im Revier – wo die lauschigsten Plätze? Eines ist dabei gewiss: stets abseits und jenseits von Weg und Steg.
Kaum eine Ecke in der zivilisierten Welt, die nicht in irgendeiner Art erschlossen wäre. Überallhin führen Wege und Straßen und nur dort, wo die Natur sich mit ihren simplen Mitteln gegen die Übererschließung wehrt – in den letzten Sümpfen und in den letzten allzu schroffen Bergregionen – finden wir die rarsten Güter unserer Zeit: Stille und Abgeschiedenheit – auch für unser Wild.
Dabei gelten weite Teile unserer heimischen Wälder inzwischen als übererschlossen: die Anzahl der laufenden Meter Waldwege liegt mancherorts weit über jenem Maß, das Forstökonomen für notwendig erachten. Auch hier leben wir also im Überfluss und sollten uns daher selbstbewusst fragen: wäre nicht dann auch oft „ein Weniger“ hier eher „ein Mehr“?
Querfeldein läuft selten der Wanderverein
Wenn die pfeifend und schwatzend daherkommende Wandergruppe gerade den Lebenshirsch vergrault, dessen Blatt schon vielversprechend auf dem Zielstachel aufsaß – fällt die besonnene Reaktion verständlicherweise schwer.
Das Zauberwort gegen Lebenshirsch vermasselnde Waldwanderer ist aber nicht die prophylaktische Drohgebärde oder der böse Blick (was sollte der auch bringen, „Wanderrecht geht vor Jagdrecht“) – es heißt ganz schlicht: „mangelnde Infrastruktur“!
Je unwegsamer der Weg und je unwägbarer der Grund, desto seltener wandelt dort der zivilisationsverwöhnte Mensch – und desto seltsamer dann zuweilen der Mensch, der dann dort doch auftaucht (wir Jäger inklusive...).
„Homo touristicus vulgaris“ ist ein „Faultier“ und lässt sich hervorragend kanalisieren: der optimale „Kirrungsweg“ für „Otto-Normal-Wanderer“ ist der gepflegte, befestigte, gemähte – der Rest wird zumeist gemieden.
Bei unbefestigten Wegen fallen schon mal 50% der Nutzer aus. Sind die Wege zusätzlich ungemäht, im Grunde die weiteren 40%. Das A und O der Ruhe im Revier ist (neben der wohlgeplanten Jagdruhe) schlichtweg die mangelnde Infrastruktur. Den komplett verbrombeerten Weg fährt auch der hartgesottenste Mountainbiker nicht mehr und die völlig vergraste Schneise ist ungeeignet für den sonntäglichen Spaziergang.
Jeder zurückgebaute oder nicht mehr nutzbare Weg ist jagdlich zuerst einmal ein Gewinn, weil er Wildlebensräume nachhaltig beruhigt. Mancher geringfügig längere Bergeweg von erlegtem Wild, sollte dafür gerne in Kauf genommen werden. Die Unterhaltung eines Weges allein aus Gründen der Wildbergung dürfte eigentlich kaum ein ausreichendes Argument sein.
Pflegeintervalle – sollten sich dehnen lassen
Es wird nur gepflegt:
a) wenn eine dauerhafte, ständige Nutzung erforderlich ist oder b) wenn eine anstehende Nutzung direkt bevorsteht.
Wenn bspw. ein Bestand frisch durchforstet und der Weg nur zur Erreichung dieses Bestandes genutzt wurde und die nächsten Jahre (möglicherweise Jahrzehnte) nicht mehr benötigt wird – zuwachsen lassen!
Die Intervalle, in denen forstliche Eingriffe stattfinden können/müssen/sollen, liegen manchmal etliche Jahre auseinander. Hier lohnt sich eine saubere Planung die vorausschauend auch die Notwendigkeit der Wegepflege oder aber auch das Vernachlässigen derselben berücksichtigt.
Zeitpunkt der Pflege
Je mehr ich „Gras (und weiteres) darüber wachsen lasse“, desto unattraktiver wird zwangsläufig der Weg. Bin ich gezwungen für eine jährliche Wegeunterhaltung zu sorgen, sollte der Pflegeschnitt möglichst spät im Jahr erfolgen, um vor allem während der Vegetationszeit (...und möglichst bis weit in den Herbst) einen möglichst „lotterhaften“ Eindruck zu hinterlassen. Zudem heißt späte Mahd, dass zahlreiche Pflanzenarten der Wegränder zum Fruchten und Samen kommen. Und: wenn sie einen Weg mal nicht oder sehr spät mähen, freuen sich nicht nur Käfer und Falter – die unter dem Fahrzeug vorbeistreichenden Kräuter und Gräser sorgen kontinuierlich für eine Unterbodensäuberung.
Schmutz und kleine Steine am Fahrzeugboden werden durch diese feine „Öko-Erosion“ regelmäßig entfernt. Ein Freund (Förster in einem Revier in dem Wege nur maßvoll gemäht wurden) hatte unter seinem Uralt-Passat den saubersten und rostfreisten Unterboden, den ich jemals bei einem Altfahrzeug gesehen habe.
Lasse ich einen unbefestigten Weg mehrere Jahre hintereinander ohne Pflege und Mahd, können sich natürlich auch Baumkeimlinge oder Sträucher entwickeln und die Funktionsfähigkeit des Weges leidet. Meistens ist dies aber auch nur ein Zeichen dafür, dass der Weg tatsächlich nicht mehr genutzt – und daher auch nicht mehr gebraucht wird! Dann lassen wir dort weiterhin der Natur ihren Lauf.
Wollen wir aber die Verbuschung des Weges verhindern, sollten wir im Schnitt alle drei Jahre einmal mähen. Bei der Leistungsfähigkeit der heutigen Schnittmaschinen ist jedoch auch der schon leicht (durch ein- bis dreijährige Gehölze) zugebuschte Weg kaum mehr ein Problem.
Rückbauhilfen – durch Sauen und Mais
Unbefestigte Wege sind übrigens auch ausgesprochen beliebtes „Sauen-brech-terrain“ – und auf diesem Rohboden keimen dann bevorzugt bestimmte Baumarten wie Kiefer oder Birke. Will ich einen inzwischen überflüssigen Weg rasch umwandeln, hilft es auch dort ein wenig Mais breitflächig zu verstreuen. Beim Aufnehmen der Maiskörner gelingt den Sauen – auch unabsichtlich – eine gewisse Aufrauhung des Untergrundes und damit ein günstiges Keimbett für manchen Baumsämling.
Pirschwege
Der uralte Grundsatz, dass der Pirschpfad vom normalen Weg aus gar nicht zu sehen sein soll wird leider nur allzu oft vernachlässigt: wenn direkt vom Wanderweg ein sauber gefegter Pfad abzweigt, ist dies eine „Einladung“ an den Waldwanderer. Je nach Gelände und Deckung sollten mindestens die ersten 10m des Pirschpfades ungepflegt bleiben oder vom Wanderweg aus schlichtweg unsichtbar sein. An den Beginn des Pirschsteiges lege ich gerne ein paar tote, reich verzweigt Äste, die diesen Bereich schon weitgehend unkenntlich werden lassen. Am Anfang des Pirschsteiges ist eh die Notwendigkeit des „Leisetretens“ meist nicht gar so dringend wie im Endstück.
„Vorübergehende Stilllegung“
Ist es nicht möglich ein echtes „Einfallstor“ ins Revier wirklich endgültig lahmzulegen, kann auch eine kurzfristige „Un-weg-barmachung“ Abhilfe leisten: Astmaterial von der letzten Durchforstung bleibt mal locker auf dem Weg liegen, wird auf einem lockeren Haufen aufgeschichtet, die ersten Meter des Weges werden gegrubbert oder umgebrochen oder es werden im Eingangsbereich gar ein paar Sträucher gepflanzt – wenn der Weg auf mehrere Jahre hinaus nicht mehr durch Fahrzeuge genutzt werden muss.
Unkenntlichmachung des Wegeeinstiegs
Eine wirklich ganz schlichte, einfache Maßnahme die problemlos zu verwirklichen ist und gewiss auch von den meisten Grundeigentümern mitgetragen wird, ist die „Verlotterung des Wegeeinstiegs“: hier wird einfach nicht mehr gemäht, hereinragende Äste der Randbäume werden nicht entfernt usw. Und dies einfach nur auf den ersten 10–20 Metern – der weitere Verlauf des Weges wird so gepflegt, wie es die weitere zukünftige Nutzung erforderlich macht.
Schützenhilfe vom Naturschutz
Bei den Kollegen vom amtlichen oder ehrenamtlichen Naturschutz werden wir mit dem „Wege-rückbau-Anliegen“ gewiss auch häufig mit Unterstützung rechnen können. Vor allem wenn wir im Einzugsbereich jener Wege Brutplätze von seltenen Vogelarten oder auch Wuchsplätze seltener Pflanzenarten geltend machen können. Dann ist der Naturschutz meist auch an einer Beruhigung jener Bereiche interessiert und unterstützt dann auch einen möglichen Wegerückbau
Wegerückbau – nur mit Landnutzern und Grundstückeigentümern!
Wir sollten unser Revier im Hinblick auf einen möglichen Wege-Rückbau einmal genau unter die Lupe nehmen und schauen, wo was wirklich entbehrlich ist. Und dann müssen (bevor wir in operative Hektik ausbrechen!) selbstverständlich unsere Ideen und Vorstellungen gekonnt und geschickt den Grundstückseigentümern, potenziellen Wegenutzern und Wegeunterhaltern vorgelegt werden. Öffentlich gewidmete Wege werden in vielen Fällen für unser Anliegen schlicht tabu sein. Aber wenn der Weg wirklich nicht mehr notwendig ist und die Wegeunterhaltung entfällt, werden natürlich auch die Unterhaltungskosten gespart – auch dies könnte ein Anreiz für Grundbesitzer/Wegeunterhalter sein, unserem Rückbauanliegen zuzustimmen.
Schwieriges Terrain ...
Wege aufzulassen oder gar zurückzubauen ist gewiss ein ausgesprochen heikles Thema und schwierig in die Tat umzusetzen. Der Effekt, den wir damit für Wild und Revier erzielen können, ist jedoch so groß, dass es lohnt hier einen langen Atem zu haben und ein wenig Energie zu investieren.
Burkhard Stöcker