Wildkatze und Luchs in MV – Rückkehr auf leisen Pfoten?
Wildkatze
Seit vielen Jahren schon erweitert die Wildkatze, ausgehend von einigen Mittelgebirgsregionen (Eifel, Westerwald, Thüringer Wald, Harz) ihr Verbreitungsgebiet. Leise und unmerklich erobert sie neue Regionen. Aus den letzten Jahren gibt es auch im direkten Umfeld von Mecklenburg-Vorpommern Nachweise: Aus dem Wendland im nordöstlichen Niedersachsen oder aus der Schorfheide im nördlichen Brandenburg. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass die Wildkatze auch Mecklenburg- Vorpommern bald erreichen wird – oder schon erreicht hat.
Der primäre Lebensraum der Wildkatze sind Laubmischwälder mit einem großen Strukturreichtum. Dazu gehören bspw. ein hoher Totholzanteil, natürliche Baumhöhlen, kleinen Waldblößen, gestufte Waldränder etc. Wildkatzen streichen aber zur Nahrungssuche auch gerne in strukturreiche Halboffenlandschaften die sich durch eine Gemengelage aus Hecken, Feldgehölzen, Brachen und landwirtschaftlichen Nutzflächen auszeichnen.
In der „guten alten Jäger-Zeit“ wurden der Wildkatze alle möglichen Beutetiere angelastet – bis hin zum „mörderischen Niederreißen“ von Rotwild. Inzwischen wissen wir, dass ihre Beute im Wald zum größten Teil aus den klassischen Waldmäusearten und im Offenland aus Wühl- und Feldmäusen besteht. Zuweilen werden aber auch Großinsekten, Reptilien, Vögel oder auch einmal ein Junghase erbeutet. Schalenwild gehört in keinster Weise zur Beute der Wildkatze!
Als territorial lebende Einzelgänger haben Wildkatzen (in Relation zur ihrer Größe!) geradezu riesige Streifgebiete: 1500–3000ha für den Kuder und 200–800ha für die Kätzin – das sind Streifgebietsgrößen, die auch auf unser Rotwild häufig zutreffen.
Luchs
Luchsnachweise aus Brandenburg und ein Luchsauswilderungsprojekt im polnischen Westpommern lassen auch Luchsnachweise für Mecklenburg immer wahrscheinlicher werden. Und inzwischen gibt es auch schon vereinzelte Nachweise: 2015 aus der Ueckermünder Heide und 2021 aus dem Raum Rostock.
Die Ausbreitungstendenzen von Luchspopulationen sind jedoch erfahrungsgemäß deutlich geringer als die von Wölfen und die bisherigen Besiedlungsgeschwindigkeiten lassen kaum Prognosen für die kommenden Jahre zu. Es wird (wenn überhaupt…?) wahrscheinlich eine eher schleppende und langsame Besiedlung werden.
Luchse sind im Mitteleuropa recht eng an den Lebensraum Wald gebunden. Sie haben aber keine sonderlich spezifischen Ansprüche an eine bestimmte Waldstruktur. Luchse sind allerdings Deckungs- und Schleichjäger, die sehr nahe an ihre Beutetiere heranmüssen, um erfolgreich zu jagen. Strukturreiche Waldbestände in denen Verjüngungen, übereinander gefallene Baumstämme, Wurzelteller etc. vorhanden sind verbessern die Jagdmöglichkeiten daher enorm.
Strukturreichtum kann aber auch bei der „Luchs-Unterkunft“ eine bedeutende Rolle spielen: Eine Luchsin im Urwald von Bialowieza brachte ihre Jungen in einer gefallenen, hohlen, alten Linde zur Welt. Auch beim Luchs zeigt sich (wie schon bei der Wildkatze!) die enorme Bedeutung von strukturreichen Altwäldern für die Besiedlung durch unsere Wildkatzenarten.
Der Luchs ist zwar ein primärer Rehjäger aber stärkere Beute kann durchaus überwältigt werden. Im Alpenraum werden regelmäßig Gämsen erbeutet und auch Mufflons und Damhirsche stehen potentiell auf der Speisekarte. In zahlreichen osteuropäischen Verbreitungsgebieten wird aber auch gelegentlich Rotwild erbeutet – wenn auch deutlich seltener als die kleineren Hirscharten. In Skandinavien reicht das Beutetierspektrum aber sogar bis hin zu Rentieren und Elchkälbern.
Die Streifgebietsgrößen europäischer Luchse liegen im mitteleuropäischen Flachland für die Weibchen bei über 10000 und bei den Männchen bei über 20000ha. Rechnen wir für jeden Luchs mit durchschnittlich 50 Rehen pro Jahr können wir den potenziellen Einfluss dieses Großräubers auf unseren heimischen Schalenwildbestände mit gutem Gewissen vernachlässigen.
Beides unauffällige „Großräuber“
Wildkatze und Luchs sind in der Landschaft wesentlich unauffälliger als der in Rudeln lebende Wolf. Die Wildkatze als fast ausschließlicher Kleinsäugerräuber und der Luchs als primärer Rehjäger werden bspw. mit der „Landeskultur-Weidetier“ kaum in Konflikt treten. Die Wildkatze bemerkt man praktisch gar nicht und der Luchs macht sich fast nur durch Rehrisse und die deutlich erhöhte Scheu von Rehen bemerkbar. Beide Arten sind selbst dort, wo sie regelmäßig und häufig vorkommen, faktisch unsichtbar.
Nutztierrisse, die durch Wölfe an verschiedensten Haustieren im Verbreitungsgebiet regelmäßig vorkommen können – sind weder bei der Wildkatze noch beim Luchs zu erwarten.
Beide Arten sind (anders als der Wolf!) ausgesprochen waldgebundene Tiere und werden sich in unserem eher waldarmen Bundesland vermutlich nur in größeren geschlossenen Waldgebieten ansiedeln (Ueckermünder Heide, Seenplatte, Nossentiner Heide o.ä.).
Burkhard Stöcker